Ronja war als Hundekind sehr verspielt und bissig. Da wurden Hausschuhe geklaut und zerbissen. Mehrere Bälle unseres Sohnes mussten daran glauben. Mit Vorliebe zerbiss sie die dicksten Holzstöcke und eigens für sie gekauftes Hundespielzeug sowieso.
Eines Tages empfahl uns die Verkäuferin der Tierhandlung einen extradicken Hartgummi-Knochen, konzipiert für große Hunde. „Den schafft sie nicht.“ waren ihre überzeugten Worte. Noch am gleichen Tag lag der Knochen zerschnetzelt im Garten herum. Manchmal verknüpfte ich ein altes Geschirrtuch zu einem dicken, festen Knoten, den ich Ronja hinhielt und um den wir dann beide rangelten. Ich staunte dabei über ihre Riesenkraft, denn ich konnte kaum bei dem Kampf mithalten.
Fröhlich und voller Tatendrang stürzte sich Ronja auf Gäste. Sie schnappte nach ihnen und forderte sie auf zum Spielen. Das war natürlich nicht nach jedermanns Geschmack. Wir passten aber auf und schritten ein, wenn Ronja übertrieb. Wenn meine Mutti, die Hunde sehr mag, Ronja streichelte, legte Ronja sich genüsslich auf den Rücken und benutzte Muttis Hand als Kaugummi. Schimpfte man mit Ronja und drohte mit dem Finger, so biss sie fröhlich hinein. Es war schwer, streng zu sein, wenn man eigentlich lachen musste. Die notwendige Strenge erfuhr sie allein durch meinen Mann. Ich war viel zu weich, wie ich zugebe.

Doch manchmal ging mir die Beißerei mächtig auf die Nerven. Eines Abends lag ich ziemlich müde auf dem Sofa, als Ronja hereinkam. Sofort stürzte sie sich auf mich und schnappte temperamentvoll nach meinem Arm. „Los, spiel mit mir.“ sollte das bedeuten. Doch dabei hatte sich meine junge Ronja ein wenig verschätzt. Ihre Zähne verletzten die Haut meines Armes. Es blutete ein wenig.
Und plötzlich geschah etwas sehr Bemerkenswertes: Meine Ronja war bestürzt, richtig bestürzt, als sie sah, was sie angerichtet hatte. Sie leckte meinen Arm sanft und wie zur Entschuldigung ab. Von diesem Tage an schnappte sie nie wieder nach mir. Sie hatte gelernt, dass ich verletzlich bin. Überhaupt behandelte sie mich viel vorsichtiger und sanfter als meinen Mann.
Sie war so klug.
Unbedingt erwähnenswert ist, dass sie sich niemals an unseren Kindern (damals vierzehn und fünf) vergriff, weder im Spiel noch schon gar nicht anderweitig.

Undine März

Von hemueveg