Klein-Ronja war gerade den zweiten Tag bei uns, als sie Bekanntschaft mit unserem fast sechsjährigen Kater Paulchen machte. (Paulchen hatte am Tag zuvor noch einen Heidenrespekt vor ihr gehabt, denn schließlich war sie mit ihren acht Wochen bereits genauso groß wie er, nur kräftiger.)
Doch an diesem besagten zweiten Tag beschloss Paulchen, Ronja zu zeigen, wer hier der Boss ist. Er trat mutig in die Küche und stellte sich Ronjas Bekanntschaft. Klein-Ronja rannte sofort begeistert auf ihn zu, um mit ihm zu spielen. Doch Paulchen fauchte und gab ihr eine blitzschnelle Ohrfeige. Quietschend rannte Ronja zu meinem Mann, der am Boden hockte, und versteckte sich hinter seinem Rücken. Ängstlich schaute sie hinter ihm hervor nach dem Kater, der sich nicht von der Stelle rührte.
„Siehst du, das ist Paule.“ sagte mein Mann zum Abschluss der Erziehungsmaßnahme.

Und die wirkte auf Ronja ein Hundeleben lang. Sie respektierte Paulchen als ihren großen Bruder. Nie wieder stürzte sie sich auf ihn, sondern näherte sich ihm vorsichtig. Wenn er fraß, und das tat er extra genüsslich, dann schaute sie ihm mit höchstem Interesse und tropfender Schnauze zu. Hatte Paulchen genug gefressen und ging fort, nicht ohne sich vorher ausgiebig gereckt und gestreckt zu haben, dann fiel sie gierig über seinen Napf mit Futterresten her. Paulchen übte eine überaus große Anziehungskraft auf Ronja aus. Sie verfolgte ihn liebend gern und schnüffelte an seinem Hinterteil herum. Wenn Paulchen im Zoff mit anderen Katzen schrie, dann wurde Ronja fast verrückt, weil sie raus und ihm helfen wollte. Keine andere Katze mochte Ronja leiden, sie bellte ganz furchtbar, wenn eine fremde Katze in Sichtweite war. Aber ihren Pauli, den liebte sie über alles. Wenn Paulchen vornehm und mit halb geschlossenen Augen auf unserem Holztor saß, so wirkte das wie eine Beruhigungspille auf Ronja. Sie legte sich neben ihn auf den Boden und döste, allerdings nicht ohne ihn aus den Augen zu lassen. Mehr als einmal durfte ich beobachten, wie Hündin und Kater sich begrüßten, was bewies, dass Paulchen auch ein Herz für Ronja hatte: Er kam mit Vorliebe von draußen durch das Fenster in unser Wohnzimmer, und natürlich war unsere aufmerksame Ronja sofort zur Stelle. Es war so rührend mitanzusehen, wie sich das kleine Katernäschen und die riesige Hundeschnauze zu einem winzig kleinen, zarten Stups trafen, der so viel über Freundschaft und Vertrauen aussagte, wie es Worte nicht besser konnten.
Paulchen mit seinen knapp 5 kg Körpergewicht genoss die Oberhand über Ronja, die fast 60 kg wog, mit unendlicher Katzenwürde. Und Ronja liebte es (typisch Rudeltier), zu einem ranghöheren Rudelmitglied aufzuschauen, dabei sich selbst einzuordnen und dadurch sicher und geborgen zu fühlen.
Es war einfach schön, die beiden miteinander zu erleben. Ich denke stets mit Freude daran zurück.

Undine März

Von hemueveg