Stress auf der Arbeit ist ein weit verbreitetes Problem. Firmen sparen an Arbeitskräften. Die Angestellten müssen die Arbeit für zwei erledigen und sind überfordert.
Brot und Brötchen backen, vierzig halbe Brötchen in der Küche belegen, währenddessen die Kunden bedienen, Kaffeemaschine immer wieder neu vorbereiten, die tägliche Backwarenlieferung des Bäckers annehmen, die Kuchen in Stücke schneiden, währenddessen die Kunden bedienen, die gebackenen Brote und Brötchen aus den Öfen holen, die Öfen neu beschicken, davor schnell Backbleche mit Brötchenrohlingen belegen, die penetrant klingelnden Kunden zwischendurch bedienen, den zweiten Schwung Imbiss in der Küche vorbereiten, weil der erste alle ist, Geschirr und Besteck abwaschen, auch das Geschirr, das ihr die Kolleginnen bringen, die hysterisch klingelnden Kunden gleichzeitig bedienen, die Öfen neu beschicken, zuvor schnell die Bleche mit Rohlingen belegen, nachdem sie kurz gecheckt hat, welche Brot- und Brötchensorten nachgebacken werden müssen, die Schlange stehenden Kunden bedienen, die Kaffeemaschine schon wieder neu vorbereiten, den Lieferschein abhaken, beim Bäcker anrufen, weil ein Kuchen fehlt, Kunden bedienen, die tägliche Backwarenlieferung einer weiteren Großbäckerei annehmen und einräumen, die leeren Lieferkartons zerkleinern, damit der Fußboden begehbar ist, Kunden bedienen, abwaschen, Hände wieder abtrocknen, weil Kunden zu bedienen sind, weiter abwaschen, denn die sauberen Tassen gehen zur Neige, die Preisschilder müssen noch verteilt werden, Kunden bedienen, der Kaffee ist schon wieder alle, Bockwürste nachlegen, neue Brötchensorten nachbacken, denn die Brötchen dürfen nicht ausgehen … und so geht das stundenlang.
Jede Arbeit, die die Verkäuferin beginnt, muss sie mehrfach unterbrechen wegen der Kundenbedienung, auf nichts kann sie sich voll konzentrieren, nichts kann sie am Stück erledigen und zu Ende bringen. Sie leidet Stress in hohem Maße.
Bis zum Mittag hat die Verkäuferin noch nichts gegessen oder getrunken, sie hat Magendrücken, sie fühlt sich erledigt. Außerdem leidet sie unter der Borniertheit vieler Kunden, die sie als Magd ansehen und herablassend behandeln. Sie hat zittrige Hände und Herzklopfen. Sie versucht, im allgemeinen freundlich zu bleiben, denn sie ist von Natur aus ein freundlicher Mensch, doch der Stress macht ihr das schwer.
Sie leidet auch unter der (wenn auch unbeabsichtigten) Missachtung ihrer Chefin und ihrer Kolleginnen, denn niemand weiß von ihrer Überforderung. Keiner kümmert sich um sie.
Undine März