Umfangreiche Bauprozesse laufen eigentlich immer nach dem gleichen Muster ab. Es geht zumeist um relativ hohe Vergütungsforderungen, auf die sich die Parteien vorprozessual nicht verständigen konnten. Es erhebt also der Bauunternehmer eine Klage auf Zahlung nach Werklohn. Die Klage an sich ist dann auch nach allen Regeln der Kunst aufgebaut, trägt zum geschlossenen Vertrag ebenso vor, wie zur Abnahme des Werkes. Gleichzeitig wird begründet, warum dem Unternehmen nach dem geltenden Baurecht ein zusätzlicher Vergütungsanspruch in zuweilen siebenstelliger Höhe zustehen soll.

Der Richter sendet die Klage, bereits Böses ahnend, an den Beklagten und gibt ihm eine Frist von vier Wochen, binnen der er doch bitte auf die Klage erwidern möge. Das erste Mal hört der Richter dann kurz vor Ablauf der Frist von dem Beklagten. Der sendet ihm jedoch nicht, wie erhofft, die Klageerwiderung zu, sondern bittet höflich und in Anbetracht der umfangreichen Sachverhaltsaufklärung um eine Fristverlängerung von nochmals vier Wochen. Diese Verlängerung wird ihm in aller Regel gewährt, wenngleich dem Richter klar ist, dass die Seitenzahl der zu erwartenden Klageerwiderung mit jedem Tag der Fristverlängerung nur größer wird. Das Baurecht gibt dem Richter aber keinerlei Möglichkeit, den Prozessstoff bereits in einem sehr frühen Stadium einzudämmen. Und es kommt tatsächlich, wie es kommen musste. Kurz vor Ablauf der verlängerten Erwiderungsfrist erreicht den Richter ein Leitzordner, der die Klageerwiderung auf gut dreihundert Seiten beinhaltet.

Von RainerG