Mein Sohn kam neulich nachts in unser Schlafzimmer und weckte mich. Er hatte ein lang anhaltendes Schweinequieken gehört, das bald darauf durch einen Schuss abrupt beendet wurde.
Wir hatten Derartiges noch nie zuvor gehört. Wir wohnen mitten in einer kleinen Stadt, direkt neben Berlin. Am Stadtrand gibt es einen Wald.

Am nächsten Tag fragte ich einen Bekannten, der dem Jagdverein angehört, ob Wildschweine nachts geschossen werden. Der Bekannte bejahte und sagte, das sei eine Selbstverständlichkeit. Auf meine bestürzten und mitleidigen Äußerungen hin erklärte er mir sachlich, dass es eine Notwendigkeit sei, diese Tiere jährlich in bestimmter Zahl abzuschießen. Denn die Wildschweine sind in Deutschland eine Plage, auch in und um Berlin. Ihnen geht es gut, sie haben keine natürlichen Feinde, sie finden überall Futter. Sie plündern bestellte Felder, brechen in Gärten ein, sind sogar auf den Straßen und auf Schulhöfen anzutreffen. Die deutschen Winter sind mild, die Wälder voller leckerer Eicheln und Bucheckern. Wildschweine werfen bis zu zweimal im Jahr Junge.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Tierbestand verdoppelt, und das wohlgemerkt trotz der Jagd.
Würde man die Jagd unterbinden, so wäre das falsche Tierliebe und eine ausgesprochen verantwortungslose Unterlassung.
Mein tierliebes Herz (und das meines Sohnes) mussten einsehen, dass der Jäger Recht hatte.

Friederike Müller

Von hemueveg